Kinderbetreuung ist heute ein wichtiges Thema auf allen Ebenen der Politik.
Zwar wird hinter vorgehaltener Hand oft noch die Meinung vertreten, dass die Kinder am Besten ausschließlich durch die Eltern erzogen werden sollten. Jedoch ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch ein gut ausgebautes Netz an öffentlicher Kinderbetreuung politisch und von der Wirtschaft gewollt.
Laut Gesetz haben ab 1. 7. 2010 alle Kinder ab 1 Jahr Anspruch auf einen Betreuungsplatz, wenn die Eltern berufstätig sind, arbeitssuchend, in Ausbildung oder wenn es für die Entwicklung des Kindes förderlich ist. Ab 2013 haben auch unter 1jährige diesen Anspruch und ab dem 1. Geburtstag bedingungslos alle Kinder.
Rücken wir diese politischen Ziele in den Hintergrund und überlegen:
Was tut unseren Kindern wirklich gut? Was brauchen sie für eine gesunde Entwicklung?
Egal welche Betreuungsform letztendlich gewählt wird, es kommt immer auf die Qualität des gesamten Umfeldes des Kindes an:
Je kleiner und hilfloser die Kinder sind, desto genauer müssen die Verantwortlichen hinschauen.
Ein Neugeborenes muss zunächst einmal die körperliche Umstellung bewältigen. Deshalb steht im ersten Lebensjahr die Bindung an wenige Bezugspersonen, die das Baby umsorgen und schützen, im Vordergrund. Hier entsteht die Sicherheit, die es dem kleinen Kind ermöglicht, mutig seine Umwelt zu begreifen. Denn auch die Sinne und das Gehirn sind von Anfang an arbeitsfähig. Die Qualität der Betreuung im ersten Lebensjahr hängt entscheidend davon ab, ob die Betreuungspersonen für das Kind ein sicherer Halt sind. Gleichzeitig sollten sie aber auch den Forschergeist der kleinen Weltentdecker angemessen begleiten. Was braucht das Kind gerade? Geborgenheit und Ruhe oder Anregung und Aktivität? – diese Feinfühligkeit ist gefragt.
Je älter das Kind wird, desto mehr wird es seine erworbenen Fähigkeiten und seine gewachsene Selbstsicherheit einsetzen, um zunehmend „auf eigenen Füßen zu stehen“. Das fängt im Sinne des Wortes mit dem Laufenlernen als motorische Selbstkontrolle an. Das Kind will seinen Aktionsradius erweitern, probiert und übt, kann sich dabei darauf verlassen, dass es ermutigt und getröstet wird, dass es einen sicheren Platz zum Ausruhen findet. Und wenn es dann ohne Hilfe laufen kann, erschließt sich dadurch wieder ein ganz neuer Erfahrungsraum. Die Sprache ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Autonomie. Selbstbeherrschung muss erlernt werden, um Beziehungen zu gestalten. Immer häufiger geht das Kind eigene Wege, unabhängig von den ersten Vertrauenspersonen. Die Selbstsicherheit ersetzt nach und nach die Sicherheit durch eine Bezugsperson. Auf der Basis einer sicheren Bindung am Anfang kann das Kind ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln und dadurch auch widerstandsfähig gegen die Härten des Lebens werden.
Was bedeutet dieses Wissen um die kindliche Entwicklung für die Kinderbetreuung?
Das Staatsinstitut für Frühpädagogik hat sich des Themas angenommen.
Zunächst sei zur Entlastung aller „Rabenmütter“, die nicht ihren alleinigen Lebensinhalt in der Fürsorge für das Kind sehen, festgestellt: durch eine Unterstützung bei der Kinderbetreuung können Eltern feinfühliger mit ihrem Kind umgehen und dem Kind mehr Aufmerksamkeit schenken.Um die sichere Bindung an die Eltern allerdings nicht zu gefährden, sollte eine außerfamiliäre Betreuung bei Säuglingen 10 Stunden in der Woche nicht überschreiten und – am besten mit immer der gleichen Betreuungsperson - eine Zweier-Beziehung ermöglichen.
Spätestens ab dem 12. Lebensmonat können dann zusätzliche Beziehungen aufgebaut werden, am Besten in kleinen und stabilen Kindergruppen mit feinfühligen Betreuungspersonen.
Worauf also kommt es bei der Gestaltung familienbegleitender Kinderbetreuung an?
Bei Kindern unter 3 Jahren sollten sich die Eltern fragen:
Wie groß ist die Gruppe, sind immer wieder die gleichen Personen da?
Wie sind die äußeren Strukturen gestaltet? Ist der Raum überschaubar und sicher? Gibt es die Möglichkeit für vielfältige Bewegungs-, Sinnes- und Lernerfahrungen? Gibt es Rückzugsräume? Gibt es klare Zeitabläufe?
Kann das Personal auf das einzelne Kind eingehen, ist es qualifiziert und ist vor allem zuverlässig die gleiche Bezugsperson für das Kind da?
Das alles schafft emotionale Sicherheit, eine Grundvoraussetzung für jedes Lernen.
Je kleiner die Kinder sind, desto wichtiger ist auch eine enge Partnerschaft mit den Eltern. Auch wenn nie eine Übereinstimmung in allen Erziehungsfragen möglich ist, so ist ein stetiger Austausch über die Situation des Kindes und Alltagserlebnisse erforderlich. In besonderem Maße muss dies in der Eingewöhnungszeit der Fall sein. Hierfür sollte man genügend Zeit einplanen. Auf das Kind kommen ja so viele neue Eindrücke zu, da braucht es ganz besonders die Unterstützung der Bezugsperson, die Möglichkeit zum Rückzug in die sichere Bindung. Eine an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Eltern ausgerichtete Eingewöhnungszeit ist entscheidend für das Wohlbefinden in der außerfamiliären Betreuung.
Welche Formen der Kleinkindbetreuung gibt es nun und welche Besonderheiten zeichnen sie aus?
Die Eltern werden entlastet durch zeitweise Betreuung des Kindes durch Familienangehörige – das klassische Modell.
Hierbei verändert sich nur wenig für das Kind, gerade im Säuglingsalter ein großer Vorteil. Entscheidend ist dabei, wie die Erwachsenen ihre Beziehungen leben: Wird die Betreuung gerne und in Liebe für das Kind erbracht? Stimmen die Erziehungsvorstellungen einigermaßen überein?
Eine Kinderfrau kommt ins Haus und betreut dort das Kind/die Kinder. Auch hier bleibt die gewohnte Umgebung, nur die Betreuungsperson ist zunächst fremd. Es kann eine gewisse Professionalität und Fachwissen vorausgesetzt werden. Die Eltern sind gegenüber der Betreuungsperson weisungsberechtigt.
Das Kind wird zu einer Tagesmutter gebracht. Diese kann bis zu 5 Kinder gleichzeitig betreuen. Der Rahmen ist familiär. Es kann individuell auf das einzelne Kind eingegangen werden. Andererseits hat das Kind hier auch einen weiteren Erfahrungsraum neben dem Elternhaus mit vielfältigen Lernmöglichkeiten. Neben den anderen Spielsachen sei hier vor allem das soziale Lernen in einer kleinen Kindergruppe erwähnt, welches Einzelkinder zu Hause nicht vorfinden. Die Betreuungsperson ist für diese Tätigkeit geschult und muss eine Pflegeerlaubnis des Jugendamtes vorweisen.
Eine Kinderkrippe wird meist von der Kommune oder Kirchengemeinde betrieben. Die Bedingungen sind hier sehr unterschiedlich, sowohl von den Räumlichkeiten, der Personalausstattung, den Öffnungszeiten, als auch von der Gruppengröße her. Die Betreuungspersonen sind zum Teil ausgebildete Erzieherinnen.
Betreuung in altersgemischten Kindergartengruppen. Gerade in Zeiten, in denen die Kinderzahl abnimmt und dadurch Kindergartengruppen nicht vollständig belegt sind, wird dieser Weg auch gerne von den Kommunen beschritten. Inwieweit es hier gelingt, allen Altersgruppen gerecht zu werden, hängt sehr von der Konzeption der Einrichtung und der Persönlichkeit der Betreuungspersonen ab.
Was ist für mein Kind das Richtige? Diese Frage müssen die Eltern selbst beantworten. Es kommt nicht so sehr auf die Form, sondern immer auf die Qualität der Betreuung an. Kinder aus sozial benachteiligten Familien können durch eine frühe Förderung in einer Tagesbetreuung für ihre Entwicklung sogar profitieren.
Allerdings sollte man diesen Effekt nicht überschätzen: egal ob in positivem oder negativem Sinn, der Einfluss der familiären Betreuung ist immer 2- bis 4 –mal größer als der, der außerfamiliären Betreuung. Die Geborgenheit und Förderung in einem guten Elternhaus werden durch eine schlechte Betreuung nicht zunichte gemacht. Und auch eine optimale Förderung in der professionellen Kinderbetreuung kann Mängel im häuslichen Umfeld nicht ganz ausgleichen.
Und falls es einmal nicht so optimal läuft: die Forschung geht heute davon aus, dass Babies und Kleinkinder auch Krisenzeiten ohne seelische Schäden überstehen können, wenn die Bezugspersonen dem Kind während der Trennung von der Bindungsperson oder in der Folgezeit Stabilität und Zuneigung vermitteln.
Darauf kommt es an.